Auf dem Weg der Transformation und Selbstentfaltung kommen wir meist früher als später an den Punkt, an dem wir Dinge loslassen müssen. Manchmal sind das äussere Dinge, manchmal innere.
Beides ist in Wahrheit nicht getrennt voneinander, denn das Leben besteht aus Beziehungen. Die äusseren Dinge in unserem Leben stehen in Beziehung zu uns. Sie sind ein Spiegel des Inneren und sie helfen uns, uns selbst verstehen.
Für unser Selbstbild sind deshalb die äusseren Dinge und Umstände zentral. Sie helfen uns, uns selbst zu verstehen und herauszufinden, wer wir sind. Unsere Geschichte, die Menschen in unserem Leben, aber auch Orte, Kleider, was wir gerne Essen, die Natur etc.
Wenn wir uns innerlich entwickeln und verändern, dann passen oft auch äussere Formen nicht mehr. Dann geht es darum loszulassen. Oder umgekehrt: Wir müssen etwas im Äusseren loslassen, und vollziehen durch diesen Prozess die erforderliche Veränderung in unserem Inneren.
Sehr oft wird Menschen deshalb mitgeteilt, dass sie einfach loslassen müssen, wenn sie eine neue Realität erschaffen wollen.
Das ist schon richtig, wird aber dennoch immer wieder falsch verstanden und kann dann den Widerstand gegen Veränderung verstärken, anstatt ihn zu lockern.
- Wenn wir Dinge im Äussern loslassen, dann lassen wir auch immer Teile unserer Identität los. Eine eigene Form, die wir gelebt haben, mit der wir vielleicht sogar identifiziert waren. Und das kann sehr beängstigen sein. In der Regel ist das deshalb so, weil die bekannten Formen uns ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Auch dann, wenn wir uns in der Form gar nicht wohl fühlen. Lieber sind wir sicher und unglücklich, anstatt dass wir es riskieren ins Unbekannte vorzudringen und glücklicher zu werden – weil wir die neue Form noch nicht kennen, nicht wissen, wer wir dann sein werden und welche Formen die Dinge annehmen werden.
- Auch Menschen, die verstanden haben, dass wir im Leben immer wieder loslassen müssen, um dem Prozess des Lebens geschmeidig zu folgen, stecken oft fest, wenn es darum geht, tatsächlich etwas loszulassen. Ich habe beobachtet, dass das auch oft damit zusammenhängt, dass loslassen falsch verstanden wird. Loslassen ist nichts, das wir aktiv tun müssen. Wir können uns nicht forcieren loszulassen. Es geschieht nicht durch Druck. Loslassen ist passiv. Es hat damit zu tun, Dinge sein zu lassen, wie sie sind. Nicht krampfhast festzuhalte. Die Finger zu lösen. Sich hinzugeben, an das Leben und seinen Fluss. Wenn wir Dinge sein-lassen, anstatt sie los-lassen zu wollen, dann fällt alles an seinen Platz. Entweder sie bleiben oder sie vergehen. Das ist das Prinzip der Hingabe. Uns dem Leben zu geben, mit allem, das wir sind. Und das Leben wird uns das geben, was für uns das Beste ist. Um da selbst zu erkennen ist unsere persönliche Perspektive manchmal einfach zu eingeschränkt. Das bedeutet nicht, dass wir nicht trauern dürfen um die Dinge, die losgelassen werden wollen.
- Der dritte Grund, der das Loslassen schwer macht, ist unsere Angst vor der Vergänglichkeit. Vor dem Tod. Dem Nichts. Der Leere. Die Angst, dass diese Leere bleibt, das nichts mehr kommt. Die Leere ist aber das magnetischste Feld überhaupt. Sie ist unglaublich anziehend. Wenn wir in der Leere stehen können werden wir unglaublich anziehend und können unangestrengt vom Leben beschenkt werden.
- Und dann ist da noch die Angst vor dem, das zum Vorschein kommt, wenn wir Dinge loslassen. Das bezieht sich meist auf Ängste vor spezifischen Gefühlen: Trauer, Schmerz, Schuld, Scham, Angst. Wenn wir lernen, für diese Gefühle in uns da zu sein, und die verletzten Aspekte in uns zu heilen und zu integrieren, dann wird auch das Loslassen einfacher. Dann braucht es immer weniger Überwindung, den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen und immer wieder durch die Leere zu schreiten.
Wenn wir das Loslassen und die Hingabe meistern, dann haben wir den Schlüssel zur Fülle in der Hand.
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